Digitale Barrierefreiheit: Design für mehr Inklusion
Ich muss dir etwas gestehen: Lange Zeit war ich ziemlich ignorant. Ich bewegte mich frei durch die Welt, ohne über Einschränkungen nachzudenken. Doch dann kam mein Sohn zur Welt, und plötzlich sah ich die Dinge mit anderen Augen.
Es begann mit einfachen Spaziergängen. Unser Haus hatte keinen Aufzug, und selbst im Keller, wo die Kinderwägen standen, gab es Stufen. Draußen erwarteten uns holprige Pflasterstraßen, die den Kinderwagen durchschüttelten, hohe Bordsteine und fehlende Fußwege. Jeder Ausflug wurde zur Herausforderung.
Mit der Zeit wollten wir auch andere Gegenden erkunden. Im Bus bemerkte ich, wie oft die Plätze für Behinderte und Kinderwägen besetzt waren - nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Unwissenheit. Am Bahnhof musste ich stets prüfen, welche Gleise überhaupt einen Aufzug hatten, und dann hoffen, dass dieser nicht gerade defekt war.
Diese Erlebnisse öffneten mir nach und nach die Augen für die täglichen Hürden, die Familien, Menschen mit Einschränkungen und Rollstuhlfahrer bewältigen müssen. Und mir wurde klar: Diese Barrieren existieren nicht nur in der physischen, sondern auch in der digitalen Welt.

Klemens Morbe
Softwareentwickler
Veröffentlicht am
30. Juli 2025

Inhalt
Farben und Wahrnehmung
In der digitalen Welt beginnen die Herausforderungen oft schon bei der Farbwahl. Jeder Mensch nimmt Farben unterschiedlich wahr, besonders bei bestimmten Sehschwächen wie Deuteranopie (Grün-Schwäche), Protanopie (Rot-Schwäche) oder Tritanopie (Blau-Schwäche). Die Universität Köln empfiehlt daher die Verwendung von "farbenblinden-freundlichen" Farbpaletten, die auch für Menschen mit diesen Sehschwächen gut unterscheidbar sind.
Gesetzliche Grundlagen
Das Konzept der digitalen Barrierefreiheit ist nicht neu und wurde bereits durch internationale Standards wie die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und die europäische Norm EN 301 549 etabliert. Seit dem 28. Juni 2025 gilt jedoch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das diese Vorgaben auf eine breitere Basis stellt. Es verpflichtet Unternehmen, ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten – darunter Websites, Apps, E-Commerce-Plattformen und elektronische Tickets. Während bisher vor allem öffentliche Stellen zur Barrierefreiheit verpflichtet waren, weitet das BFSG den Kreis der Verpflichteten erheblich aus und schließt nun auch zahlreiche private Unternehmen wie Banken und Mobilitätsdienste ein. Diese Ausweitung markiert einen entscheidenden Schritt hin zu einer inklusiveren digitalen Gesellschaft.
Verbesserungsmöglichkeiten für digitale Barrierefreiheit
Personen mit einer Sehschwäche sollten die Möglichkeit haben, den Text zu vergrößern, ohne dass das ganze Layout zerfetzt wird. Ebenso wichtig ist die Option, sich den Inhalt vorlesen zu lassen - aber nur den relevanten Inhalt, nicht die Navigation oder den Footer.
Weitere Möglichkeiten, Websites und Apps inklusiver zu gestalten, sind:
- Tastaturnavigation: Vollständige Bedienbarkeit mit der Tastatur für Menschen mit motorischen Einschränkungen.
- Alternative Texte: Aussagekräftige Beschreibungen für Bilder und Grafiken, die von Screenreadern vorgelesen werden können.
- Untertitel und Transkripte: Für Videos und Audioinhalte, um sie für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen zugänglich zu machen.
- Konsistentes Layout: Ein klares, einheitliches Design hilft Menschen mit kognitiven Einschränkungen, sich zurechtzufinden.
- Ausreichender Kontrast: Zwischen Text und Hintergrund zur Verbesserung der Lesbarkeit.
- Responsive Design: Optimierung für verschiedene Geräte und Bildschirmgrößen.
- Einfache Sprache: Erklärung komplexer Inhalte in verständlicher Form.
- ARIA-Attribute: Verbesserung der Zugänglichkeit von dynamischen Webinhalten.
Die Optimierung von Websites für Suchmaschinen und KI-Verarbeitung ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Dies ermöglicht es Nutzern, relevante Inhalte schon in der Suche zu erkennen und verbessert die Erfassung durch KI-Systeme.
Meine persönlichen Erfahrungen haben mir gezeigt, wie wichtig Barrierefreiheit in der physischen Welt ist. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir dieses Bewusstsein auch in die digitale Welt übertragen. Denn digitale Barrierefreiheit ist ein entscheidender Schritt zu einer wirklich inklusiven Gesellschaft, in der jeder gleichberechtigt teilhaben kann. Lass uns gemeinsam daran arbeiten, das Internet zu einem Ort zu machen, der für alle zugänglich ist - unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Einschränkungen.
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Klemens Morbe
Als erfahrener Backend-Entwickler mit Schwerpunkt auf Java und Spring bin ich leidenschaftlich für Clean Code und effiziente Softwarearchitekturen.
Meine Expertise teile ich sehr gerne im Unternehmen sowie in Blogartikeln, die über theoretische Konzepte hinausgehen und realitätsnahe Lösungen für den Entwickleralltag bieten.
Durch meine Beiträge möchte ich nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch den fachlichen Austausch in der Community fördern und zur stetigen Verbesserung der Softwarequalität beitragen.
Quellen
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