Warum die "beste" Programmiersprache (meistens) egal ist
Kennst du das auch? Du scrollst durch LinkedIn, Medium, dev.to, Reddit oder sogar Instagram und zack – wieder ein Post, der dir erklärt, warum genau diese eine Sprache, dieses eine Framework das Nonplusultra ist. Alles andere? Veraltet, langsam, unsicher, oder einfach nur Schrott. Es erinnert mich an die ewigen Debatten über das beste Musikgenre, das beste Auto oder den besten Anime. Geschmäcker und vor allem Anforderungen sind verschieden – und nirgendwo scheint das mehr zu hitzigen Diskussionen zu führen als in unserer Tech-Bubble.
Ich habe das Gefühl, in letzter Zeit immer öfter in dieser "Bashing-Bubble" zu landen, in der es nur darum geht, die eigene Lieblingssprache zu verteidigen und andere niederzumachen. Es nervt mich. Deshalb möchte ich heute meine Beobachtungen und ein paar Gedanken dazu mit dir teilen. Denn ich glaube, wir verschwenden viel zu viel Energie auf diese Scheingefechte.

Klemens Morbe
Softwareentwickler
Veröffentlicht am
14. Mai 2025

Inhalt
Warum dieser Lärm in den sozialen Medien?
Früher fanden diese Diskussionen vielleicht am Stammtisch, auf Konferenzen oder in Uni-Seminaren statt. Heute haben wir globale Plattformen, auf denen jeder seine Meinung kundtun kann – und die Algorithmen lieben Kontroversen. Ein Beitrag mit dem Titel "Warum Java tot ist" oder "JavaScript ist die einzige Zukunft" bekommt einfach mehr Klicks und Engagement als ein differenzierter Artikel über die Vor- und Nachteile verschiedener Technologien in spezifischen Kontexten.
Das führt zu einer Art Echokammer-Effekt: Man folgt Leuten, die die eigene Meinung bestätigen, und die Plattformen spielen einem mehr davon aus. Es entsteht ein verzerrtes Bild, eine Art "Wir gegen Die"-Mentalität, die mehr mit Fan-Kult als mit professionellem Diskurs zu tun hat.
Waren die Zeiten früher besser? Ein kurzer Blick zurück
Aber waren diese "Sprachkriege" schon immer da? Ja, irgendwie schon. Schon in den Anfängen der Informatik gab es Rivalitäten. Denk an die 50er und 60er Jahre: Fortran für die Wissenschaft, COBOL für die Wirtschaft, Lisp für die KI-Forschung. Jede Sprache hatte ihre Domäne und ihre Anhänger. Später gab es hitzige Debatten zwischen C und Pascal, oder die Bemühungen des US-Verteidigungsministeriums, mit Ada Ordnung in den Wildwuchs von hunderten Sprachen zu bringen.
Der Unterschied zu heute ist vor allem die Lautstärke und die Reichweite durch soziale Medien. Die Argumente sind oft die gleichen geblieben, nur werden sie jetzt global und in Echtzeit ausgetragen.
Die Vielfalt ist kein Bug, sondern ein Feature!
Warum gibt es überhaupt so viele Programmiersprachen? Weil es unzählige verschiedene Probleme zu lösen gibt! Stell dir deinen Werkzeugkasten vor: Du hast einen Hammer für Nägel, einen Schraubendreher für Schrauben, eine Zange zum Greifen. Du würdest nicht versuchen, einen Nagel mit einer Zange in die Wand zu schlagen, oder?
Genauso ist es mit Programmiersprachen. Jede hat ihre Stärken und Schwächen, ihre "Sweet Spots":
- JavaScript: Unverzichtbar für interaktive Web-Frontends, dank Node.js auch im Backend stark.
- Python: Super lesbar, riesige Community, stark in Data Science, Machine Learning und für Skripte.
- Java: Robust, plattformunabhängig (JVM), riesiges Ökosystem , sehr verbreitet in großen Unternehmen für Backend-Systeme. (ja, Ich mag Java 😅)
- C#: Microsofts Antwort auf Java, stark in der Windows-Welt, aber dank .NET Core längst plattformübergreifend, beliebt für Spieleentwicklung (Unity).
- C/C++: Nah an der Hardware, unschlagbar bei Performance, Basis für Betriebssysteme, Spiele-Engines, Embedded Systems.
- Swift/Kotlin: Die modernen Sprachen für native iOS- bzw. Android-Entwicklung.
- PHP: Treibt immer noch einen riesigen Teil des Webs an (WordPress!), hat sich stark weiterentwickelt (auch dank Laravel).
- Go/Rust: Modernere Sprachen, Go stark bei nebenläufigen Systemen, Rust mit Fokus auf Sicherheit und Performance ohne Garbage Collector.
Die Liste ließe sich lange fortsetzen (Ruby, Scala, TypeScript...). Schau dir den TIOBE-Index oder den PYPL-Index an: Die Top 20 sind alle relevant und werden erfolgreich eingesetzt. Das zeigt doch: Es gibt nicht DIE eine beste Sprache, sondern viele gute Werkzeuge für unterschiedliche Aufgaben.
Wann die Wahl (vielleicht doch) eine Rolle spielt
Okay, ganz egal ist die Wahl natürlich nicht immer. Es gibt Szenarien, wo bestimmte Sprachen einfach besser passen oder andere eher ungeeignet sind:
- Performance-kritische Systemprogrammierung: Hier sind C oder C++ oft die erste Wahl.
- Clientseitige Web-Entwicklung: Ohne JavaScript (oder Sprachen, die dorthin kompilieren wie TypeScript) geht im Browser wenig.
- Massiv parallele Berechnungen: Sprachen mit guten Concurrency-Modellen wie Go oder Erlang können hier glänzen. Python mit seinem Global Interpreter Lock (GIL) kann hier an Grenzen stoßen (obwohl es Workarounds gibt).
- Data Science / ML: Python ist hier dank Bibliotheken wie NumPy, Pandas, Scikit-learn und TensorFlow/PyTorch der De-facto-Standard.
Aber selbst hier geht es eher um "ungeeignet" vs. "geeignet" und nicht um den feinen Unterschied zwischen zwei prinzipiell passenden Sprachen. Niemand würde ernsthaft Java für eine Browser-Erweiterung nehmen oder versuchen, ein Betriebssystem in PHP zu schreiben.
Worauf es wirklich ankommt: Jenseits der Syntax
Wenn also die Sprache selbst oft nicht der alles entscheidende Faktor ist, was ist dann wichtiger? Meiner Erfahrung nach sind das oft diese Punkte:
- Dein Team und Du: Wie gut beherrscht ihr die Sprache und das Ökosystem? Ein Team, das Java und Spring Boot in- und auswendig kennt, wird damit wahrscheinlich schneller und besser liefern als mit dem "angesagtesten" neuen Framework, das erst mühsam gelernt werden muss. Produktivität und Know-how sind Gold wert.
- Das Ökosystem: Wie gut sind die verfügbaren Bibliotheken, Frameworks und Tools? Gibt es eine aktive Community? Findet man leicht Hilfe bei Problemen? Ein starkes Ökosystem kann die Entwicklung massiv beschleunigen.
- Die spezifische Aufgabe: Was soll die Software genau tun? Welche nicht-funktionalen Anforderungen gibt es (Performance, Skalierbarkeit, Sicherheit)? Hier muss die Sprache potenziell in der Lage sein, das Problem zu lösen.
- Wartbarkeit & Clean Code: Lässt sich mit der Sprache und den gewählten Tools sauberer, gut strukturierter und wartbarer Code schreiben? Das hängt oft mehr von den Entwicklern und den etablierten Praktiken ab als von der Sprache selbst. (Ein Thema, das mir als Fan von Clean Code besonders am Herzen liegt!)
- Der Kontext im Unternehmen: Gibt es bereits bestehende Systeme? Welche Technologien werden schon eingesetzt? Manchmal ist Konsistenz innerhalb der IT-Landschaft wichtiger als die Optimierung auf die "perfekte" Sprache für ein einzelnes Projekt.
- Langfristige Unterstützung: Wird die Sprache/das Framework voraussichtlich auch in Zukunft gepflegt und weiterentwickelt?
Du siehst: Die reine Sprachwahl ist nur ein Faktor unter vielen. Und oft nicht einmal der wichtigste.
Mein Tipp: Bleib neugierig, aber pragmatisch!
Anstatt uns in Grabenkämpfen zu verlieren, welche Sprache nun "besser" ist, sollten wir uns vielleicht auf andere Dinge konzentrieren:
- Werde Meister in deinem Werkzeug: Egal ob Java, Python, C# oder JavaScript – werde richtig gut darin. Verstehe die Konzepte, die Stärken und Schwächen.
- Lerne die Prinzipien: Konzepte wie Clean Code, SOLID, Design Patterns, Testautomatisierung sind sprachunabhängig und machen dich zu einem besseren Entwickler, egal welches Werkzeug du gerade benutzt.
- Sei neugierig: Schau über den Tellerrand! Probier mal eine andere Sprache oder ein neues Framework aus. Das erweitert deinen Horizont und lässt dich vielleicht Muster und Lösungen entdecken, die du in deiner "Hausprache" so nicht gesehen hättest. (Ich selbst kämpfe ja mit Frontend, aber vielleicht sollte ich TypeScript mal eine echte Chance geben?)
- Fokus auf das Problem: Letztendlich geht es darum, ein Problem für den Nutzer oder das Business zu lösen. Die Technologie ist Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck.
- Respektiere andere Wahlen: Nur weil ein anderes Team eine andere Technologie nutzt, heißt das nicht, dass sie falsch liegen. Vielleicht hatten sie andere Anforderungen, andere Vorkenntnisse oder andere Rahmenbedingungen.
Lass dich also nicht von dem Lärm auf Social Media verrückt machen. Die meisten gängigen Programmiersprachen sind tolle Werkzeuge, mit denen man Großartiges bauen kann. Wähle weise, basierend auf den Anforderungen und deinem Kontext, aber verschwende keine Energie darauf, deine Wahl als die einzig wahre zu verteidigen. Konzentrieren wir uns lieber darauf, gute Software zu schreiben und voneinander zu lernen.

Hier schreibt
Klemens Morbe
Als erfahrener Backend-Entwickler mit Schwerpunkt auf Java und Spring bin ich leidenschaftlich für Clean Code und effiziente Softwarearchitekturen.
Meine Expertise teile ich sehr gerne im Unternehmen sowie in Blogartikeln, die über theoretische Konzepte hinausgehen und realitätsnahe Lösungen für den Entwickleralltag bieten.
Durch meine Beiträge möchte ich nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch den fachlichen Austausch in der Community fördern und zur stetigen Verbesserung der Softwarequalität beitragen.
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